Mittsommernacht
Es ist zwar noch Tag, ich sitze an einem Wiesenhang mit Blick in die Bachaue, in die weite Landschaft mit Feldern, Baumgruppen und kleinen Wäldern.
Es ist Nachmittag und ich brauche meine große Pause.
Heute Nacht habe ich wieder im Fichtenwald gezeltet. Das ist zwar nicht der romantischste Platz, aber der bequemste. Der Boden ist selbst nach Regen nie nass, das Wasser sickert sofort weg, der Untergrund ist weich, der Tau wird von den Bäumen abgehalten und wenn man dann noch eine ebene, waagerechte Fläche findet, ist alles perfekt.
Heute morgen war es leicht neblig und den ganzen Tag über warm und diesig. Es ist eine stille Stimmung, die alles ganz weich erscheinen lässt.
Zum Glück habe ich heute einen Bäckerladen gefunden, denn ich hatte seit Montag nicht mehr einkaufen können und auch keinen Gasthof auf dem Weg gehabt. So waren nur noch ein paar Nüsse und Rosinen im Rucksack.
Yukon bekommt unterwegs immer mal Katzenfutter geschenkt,aber ich bin froh,wenn ich ihm bald viel und eiweißreiche Kost zu fressen geben kann.
Ich wurde gefragt, wie ich auf die Idee gekommen bin, diese Wanderung zu machen. Da muss ich etwas weiter ausholen.
Solange ich zurückdenken kann, vermutlich so mit vier Jahren, hat mir die Erde und die Natur Geborgenheit und Sicherheit gegeben. Ich liebe die Erde, so dass ich zeitweise am liebsten wie ein Wildschwein mit der Nase im Acker wühlen würde. Bäume und Pflanzen sind mir Wesen, die jedes eine eigene Aussage haben. Ich kann das nicht mit Worten erklaeren, aber ich gehe in Resonanz zu den Geschöpfen oder zur Landschaft.
So bedeutete es für mich immer eine große Überwindung, im Frühjahr, wenn der letzte Schnee weggetaut war, nicht meinen Rucksack zu packen und in die weite Welt hinein zu wandern. Es ist ein wenig, wie " nach Hause gehen"
Pflichten haben mich immer abgehalten, und so habe ich, etwa mit 50 Jahren, beschlossen: mit 70 mache ich eine Fernwanderung.
Eigentlich wollte ich gern nach Griechenland wandern, aber man sollte nicht durch den Balkan laufen, raten alle Wanderführer.
So dachte ich: Stettin -Gibraltar das fühlt sich gut an.
Diesen Plan werde ich allerdings kaum verwirklichen, denn der Europäische Wanderweg E 10 ist so schlecht markiert, dass es sich nicht lohnte, diesen Weg zu gehen. Außerdem hätte das vorausgesetzt, dass ich jeden Tag 20 km wandere, ich schaffe aber nur 15 km und irgendwann will ich auch wieder nach Hause, die Enkelkinder werden groß in der Zwischenzeit.
Ich habe mir also meinen eigenen Weg zusammengestellt, bis zum Erzgebirge.
Dort laufe ich den Kammweg, der 280 km lang ist und dessen Endpunkt, Blankenstein, ich am Sa erreicht haben werde. In Blankenstein beginnt der Frankenweg, der 520 oder 560 km lang ist und zur Schwäbischen Alb führt. Danach geht es am Nordrand der Alb entlang zum Bodensee. Dort irgendwo führt der E 4 weiter durch die Schweiz und Frankreich.
Wie weit ich wandere, hängt davon ab, wie der E 4 ausgeschildert ist und wie lange ich Lust habe. Ich will mir und anderen nichts beweisen, wenn ich denke, dass es genug ist, kehre ich um.
Bis jetzt fühlt es sich richtig an, unterwegs zu sein und kostet im Prinzip keine Überwindung. Nur manchmal, wenn man nachmittags müde ist und der Berg sehr steil, muss ich mich aufraffen. Aber ich bin selber erstaunt,dass der Punkt, an dem man sich fragt, warum man das alles macht, noch nicht gekommen ist.
Und heute ist Mittsommer. Ich habe das Gefühl, ich sollte den Abend besonders gestalten, weiß aber noch gar nicht wie.
vor 11 Jahren habe ich in der Mittsommernacht mit Imke auf einer Burgruine in den Vogesen übernachtet und im ganzen Rheintal brannten die Feuer.
So gut werde ich es nicht haben, aber damals hatten wir nichts mehr zu essen und zu dritt( mit Yukon) nur noch einen halben Lieter Wasser. Das ist heute besser.
So, nun will ich weiter wandern, ich habe mich ausgeruht.
Liebe Grüße Heide
wanderheide am 21. Juni 12
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